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Alexander Hohmann - Blog
Coaching und mehr
Das Thema Hochsensibilität ist an anderer Stelle auf dieser Webseite ausführlich
behandelt. Auf dieser Seite geht es spezifisch um die Hochsensibilität bei Männern
und Jungen, wobei auch zahlreiche hochsensible Frauen in meine Praxis in
Freiburg kommen (sowie nicht-hochsensible Menschen allen Geschlechts).
Das Thema der männlichen Hochsensibilität ist in Deutschland noch sehr
wenig beleuchtet. Die Literatur ist minimal (vgl. Tom Falkenstein: „Hochsensible
Männer“, Junfermann Verlag. Christoph Weinmann: "...spürbar anders!?: Potenzial
und Widersprüche hochsensibler Jungen und Männer", Novum Verlag). Das
Seminar- und Beratungsangebot ist ebenso gering. Die Medien berichten bei
Hochsensibilitätsthemen weiterhin vor allem über Frauen. Bei Frauen ist die
Hochsensibilität gesellschaftlich schon immer recht gut akzeptiert (man schaue nur,
wer in den alten Kinoklassikern den ganzen emotionalen Ausdruck übernimmt) -
auch wenn hochsensible Frauen es genau so schwer haben wie hochsensible
Männer, da die Belohnungssysteme der Gesellschaft beide noch wenig honorieren
(außer vielleicht in Kunst, Musik und Schauspiel).
Gegenüber Männern sind aber auch heute noch Vokabeln wie „Waschlappen“
und „Weichei“ und andere Formen der Geringschätzung nie weit. Und wenige
Frauen haben in ihrem Leben etwas gehört wie “stell dich nicht so an! Sei eine
Frau!” Wohingegen “Sei ein Mann!” eine weiterhin beliebte Maßnahme zur
Männerverhaltenssteuerung bleibt, deren Wirksamkeit wahrscheinlich daher rührt,
dass sie in Wirklichkeit die Androhung einer Beschämung ist (“du bist kein Mann!”).
Erschwerend kommt hinzu, dass es vielen hochsensiblen Menschen allen
Geschlechts an dem fehlt, was in Deutschland „Selbstbewusstsein“ genannt
wird. Sich als nachdenklicher und feinfühliger Mensch im Lärm der Gesellschaft
wiederzufinden und zu positionieren, fällt schwer. In einer aufmerksamkeitsgierigen
Zeit fühlen sich zurückhaltende Menschen unsichtbar, schlimmstenfalls überflüssig.
Das kann in einen Teufelskreis der Vereinsamung führen. Und auch die Suizidrate ist
unter Männern um ein vielfaches höher als bei Frauen. (Zwar gibt es derzeit keine
Statistiken darüber, ob sich Männer mit Hochsensibilität überdurchschnittlich häufig
das Leben nehmen. Aber man könnte es vermuten.)
Umso wichtiger ist es, innere Ressourcen zu erkunden und in gutem Kontakt
mit sich selbst zu sein. So bleibt man in der eigenen Mitte und lässt sich durch
äußere Verletzungen nicht mehr so leicht aus seiner Mitte stoßen. Diese innere
Unumstößlichkeit kann und sollte man aufbauen. Sie ist eine wesentliche Zutat des
Selbstvertrauens.
Dr. Elaine Aron schreibt etwa in ihrem Buch über hochsensible Menschen in
der Psychotherapie, dass es vielleicht nicht zwei, sondern vier Geschlechter
gibt, nämlich Frauen, Männer, hochsensible Frauen und hochsensible Männer, und
dass es von der kulturellen Akzeptanz her die hochsensiblen Männer wahrscheinlich
am schwersten haben. Wenige Frauen wissen, auf wie viele Weisen das Erleben
dieser Männer dem vieler Frauen ähnelt, und wie tief es hochsensible Männer
verletzen kann, wenn Frauen
ganz allgemein “die Männer”
abwerten und verunglimpfen.
Tückisch ist auch, dass viele
Eigenschaften, die mit einer
hohen Empfindsamkeit
einher gehen, kulturell gern
als “weiblich” bezeichnet
werden - so als müsste man
die eigene Männlichkeit
ablegen (oder sogar verraten),
um die eigene Sensibilität zu
erleben. Das liegt daran, dass
die klassischen männlichen
kulturellen Vorbilder (und
Klischees) meistens emotional
betäubt erscheinen. Der
fehlende Zugang nach innen
erlaubt es dem Helden, sich
ganz auf die Aufgaben und Bedrohungen im Außen zu fokussieren - ohne
emotionale Ablenkungen. Für das Überleben der Spezies mag das sogar über lange
Zeit sinnvoll gewesen sein. Andernfalls hätte die Kultur diese Vorbilder wohl nicht so
lange aufrecht erhalten und Abweichende nicht so systematisch abgewertet. Die
Gleichsetzung von hoher Empfindsamkeit und Weiblichkeit ist heute aber eine der
zahlreichen kulturellen Programmierungen, die wir noch überwinden müssen.
Erschwerend mag auch sein, dass der Diskurs über Hochsensibilität noch
stark weiblich dominiert ist. Viele Inhalte im Internet werden von Frauen
geschrieben, die vor allem mit Frauen arbeiten. Die Lösung wird für einen Mann
aber wahrscheinlich nicht darin bestehen, dass er versucht, seine Hochsensibilität
so auszuleben, wie er sie von Frauen beschrieben bekommt. Denn das wäre eine
weitere Weise, am eigenen Leben vorbei zu leben, und schafft mehr Probleme, als
es löst. Männer müssen ihre eigenen Ausdrucksformen ihrer Hochsensibilität
vielfach noch erfinden und sich von den Stereotypen weg in eine viel größere
Verhaltens- und Interessenvielfalt ausdehnen. Da gibt es viel Neuland zu erforschen.
Männer haben nicht weniger als Frauen einen Anspruch auf ein reiches
Innenleben. Fühlen bedarf keiner Rechtfertigung. Jede Emotion ist schon dadurch
ausreichend legitim, dass sie da ist. Sie ist eine Botschaft aus dem Inneren.
Hochsensible Männer könnten eine Rolle dabei spielen, die Vielfalt der inneren
Regungen zu öffnen und erweitern. Denn über lange Zeiten war die Wut die mehr
oder weniger einzige Emotion, die Männern „erlaubt“ war. In solchen Fällen wird sich
aber jede innere Regung in Richtung der Wut „verschieben“. So wird dann etwa
Trauer nicht als Trauer gelebt, sondern es werden die Fäuste geballt. Auch Freude
kann zu Ausdrucksformen führen, die der Wut nicht unähnlich sind - etwa wenn beim
Mannschaftssieg die Fäuste gen Himmel geworfen werden. Hier gilt es, diese
„Verschiebungen“ wieder rückgängig zu machen und das gesamte
Emotionsspektrum zu erleben.
Bei der erforderlichen Wiedervereinigung des männlichen und des weiblichen
Prinzips (was auch immer Sie selbst darunter verstehen möchten) könnten
hochsensible Männer eine wichtige Vorreiterrolle spielen und wissen es noch gar
nicht. Sie könnten auch eine wichtige Rolle darin haben, das Beste in Frauen
aufblühen zu lassen.
Die Paartherapeutin Esther Perel stellte einmal eine häufige Beobachtung bei
ihren sensiblen männlichen Klienten fest: Wenn sie in ihrer Kindheit Gewalt
zwischen ihren Eltern erlebt haben, dann sind sie später häufig von ihrer
männlichen Energie abgeschnitten. Sie haben die zerstörerischen Konsequenzen
von Aggressivität in ihrer dunklen Form (Gewalt) erlebt, den Schmerz empathisch
mitgefühlt (oder waren selbst Zielscheibe dieser Gewalt). Dann wollen sie damit
nichts zu tun haben und später im Leben “alles richtig machen”. Dadurch schneiden
sie sich aber auch von den guten Seiten von Aggressionsenergie ab: Tatkraft,
Energie, Antrieb, Entschlossenheit, Richtung, Durchhaltevermögen. („Aggression“ ist
erst einmal etwas Neutrales und kommt aus dem Latein „ad-gressere“, was nichts
anderes bedeutet als „auf etwas zu gehen“.) Schlimmstenfalls werden solche
Jungen und Männer zum antriebs- und orientierungslosen Spielball ihres Umfelds,
machen ihr eigenes Selbstwertgefühl völlig von den Bewertungen der anderen
abhängig, resignieren vielleicht in einer Partnerschaft, in der sie “nichts zu melden
haben”. Dann passen sie zu einer kontrollsüchtigen und/oder narzisstischen
Partnerin oder zu einem solchen Partner, so wie das ja auch umgekehrt gern
geschieht. Oder ihre Partnerin mag nach einer Weile nicht mehr die einzige
Impulsgeberin der Beziehung sein und wird auf Abstand gehen. Oder vielleicht
haben sie auch keine Partnerin, entziehen sich der Wirklichkeit so weit es geht und
versinken im Riesenangebot digitaler Ablenkungen oder einfach in Alkohol und
anderen Substanzen.
Hier ist Schattenarbeit erforderlich, also der Blick ins Verdrängte. Denn die
Quelle des eigenen Antriebs und möglicherweise das eigentliche Lebensziel liegen
im “Schatten”, also in genau jenem Teil, von dem sie sich abgeschnitten haben:
Diesen verdrängten Teil sehen sie dann nicht mehr bei sich selbst, sondern
höchstens noch bei den anderen („Projektion“). Häufig sind sie dann auch von
elementaren Emotionen und von ihrer Lebensfreude getrennt. Ausgerechnet diesen
gefürchteten inneren Teil muss man sich aber wieder aneignen, um in die eigene
Energie zu kommen. (Wenn man endlich hin schaut, ist er übrigens meistens gar
nicht so schlimm.)
Und wer keine Lösungen
sucht, wird nur seine
eigenen offenen Fragen an
die nächste Generation
weitergeben. Spätestens
wenn solche Männer dann
einen Sohn haben, kommt die
Frage hoch, was sich der
Sohn vom Vater abschauen
soll - am besten eine
vorgelebte, gesunde,
selbstwirksame und
vollständige Männlichkeit,
gewaltfrei und dennoch voller
Energie. Viele „neue Väter“
können zwar sehr zugewandt
sein, sind es aber bevorzugt
mit ihren Töchtern, weil sie
dort ein unmittelbares emotionales, herzerwärmendes Feedback erhalten und sich
so als fürsorglich und liebevoll erleben können. Bei den Söhnen ist das komplizierter.
Das bessere Lernen des Zugangs zu den eigenen Emotionen funktioniert am
besten im sicheren Raum. Und das heißt: Mit Menschen, mit denen Sie sich
sicher fühlen statt Urteil und Beschämung befürchten zu müssen. Die Partnerschaft
ist oft nicht dieser sichere, urteilsfreie Raum. Besser klappen die ersten Schritte mit
männlichen Freunden oder einer Männergruppe, bevor Sie die neuen Erfahrungen
in die Partnerschaft mitbringen. Die wichtige Frage, die Sie sich stellen können, ist:
“Könnte ich diesen Menschen alles sagen? Würde ich ihnen auch meine
Verwundbarkeiten und Schattenseiten zeigen können, ohne zu befürchten, dass ich
mich danach schämen muss oder beschämt werde?”
Wenn Sie diese Fragen mit Ja beantworten können, vereinbaren Sie doch
einmal ein Experiment miteinander, nämlich dass Sie sich gegenseitig mehr
öffnen und ehrliches und möglichst wertungsfreies und konstruktives Feedback
darüber geben, wie Sie Dinge erleben. Und Sie können versuchen, zusammen den
Dingen, die Sie fühlen, einen Namen zu geben, um so ihren Blick auf Ihr Innenleben
und Ihre Unterscheidungsfähigkeit zu schärfen. So steigt dann aus einem bisher
dumpfen inneren Grollen vielleicht eine ganze Palette an differenzierten
Empfindungen empor. Das mag sich manchmal noch ein bisschen kindlich anfühlen,
wie eine “Emotions-Alphabetisierung”, aber das ist in Ordnung. Denn immerhin sind
das Dinge, die vielleicht weder Ihr Vater, noch Ihre Großväter, noch Ihre weiteren
männlichen Ahnen jemals konnten. Da leisten Sie Pionierarbeit, und die ersten
Schritte werden noch nicht ganz sicher sein. Und vielleicht schauen Ihnen Ihre
Ahnen dabei neugierig, erleichtert und sogar mit Stolz über die Schulter.
Für hochsensible Männer besonders wichtig ist es, einen Sinn in ihrem Dasein
zu erkennen. Wofür bin ich hier? Nicht selten ist da ein Gefühl, eine Art “Mission” zu
haben. Und diese “Mission” hat bei hochsensiblen Menschen meistens damit zu tun,
sich in den Dienst anderer Menschen oder der Menschheit oder anderer Lebewesen
zu stellen. Oder das etwas gut „fließt“, etwa in einer Organisation, oder in
Infrastrukturen, oder im Wissensfluss. Hochsensible Männer haben meistens wenig
Interesse an den “offiziellen”, materiellen Erfolgskriterien Geld, Macht, Ruhm und
Status. Stattdessen freut es viele, wenn es den Menschen um sie herum gut geht
und sie dazu etwas beitragen können.
Das Leben als hochsensibler Mann kann sehr schwierig und leer sein, wenn er
sich diesem Sinn des eigenen Daseins nicht bewusst wird oder zu weit davon
entfernt lebt. Dann lässt er sich möglicherweise treiben und wird zum Spielball
seines Umfelds weil er kein inneres Zentrum hat, das ihm Stabilität gibt. Wie ein
Schiff, das nie die Segel setzt.
Schlummert in Ihnen schon lange ein Projekt, ein Vorhaben, ein innerer
Auftrag, eine Mission? Ein Coach oder Mentor kann Sie dabei unterstützen, es
zu formulieren und ins Handeln zu kommen. Hat der hochsensible Mann seinen
Weg gefunden und beschreitet er ihn, kann er trotz aller Hürden viel Erfüllung finden,
auch wenn sein Alter bereits fortgeschritten ist. Das braucht sowieso seine Zeit.
Geduld ist eine sinnvolle Verbündete. Weitere Verbündete findet man, wenn man
sich Hilfe sucht. Es ist nichts falsch daran, sich Hilfe und Unterstützung zu holen.
“Ich muss dass allein hinkriegen” ist ein veraltetes Missverständnis. In früheren
Zeiten waren Männer auch immer in Gemeinschaften und Kamaraderien
eingebunden und haben sich gern gegenseitig Hilfe geleistet.
Den Jungen und jungen Männern, die mit ihrer Hochsensibilität hadern und
noch nicht sehen, wie sie damit klar kommen sollen, sei auch gesagt: Es wird
mit der Zeit immer besser. Nur sollte man irgendwann ins Handeln kommen, und
insbesondere seine ganz persönliche Art erfinden, Hochsensibilität als Junge oder
als Mann zu leben. Wer um die 30 ist, sollte wirklich nicht mehr allzu lange damit
warten, von den bisherigen Irrwegen und Holzpfaden herunter zu kommen, seinen
eigenen Weg zu finden und sein Leben aufzubauen, und dabei seine Sensitivität gut
ins eigene Leben zu integrieren, statt weiter mit ihr zu hadern.
Und auch potenzielle Partnerinnen wissen mit zunehmendem Alter die Qualitäten
hochsensibler Männer besser zu schätzen, denn sie hatten dann Zeit, nicht so gute
Erfahrung mit unsensiblen Männern zu machen.
Auch in höherem Alter bleibt immer fast alles möglich. Zwar kann es schwerer
fallen. Es hat vielleicht bereits eine Reihe verpasster Gelegenheiten gegeben, und
die sollte man mit Wohlwollen und Selbst-Empathie betrauern damit nicht mehr die
Gespenster der „nicht gelebten Leben“ neben dem echten Leben her laufen. Die
gute Nachricht: Mit dem Alter kommt auch die Erfahrung. Sie lässt uns besser die
Abkürzungen und Irrwege sehen, zielgerichteter und wirksamer sein, und das
Wesentliche besser vom Unwichtigen unterscheiden. Und weil man schon häufig an
die eigenen Grenzen gestoßen ist, fällt es leichter, Verwundbarkeit zuzulassen - bei
sich und auch bei anderen.
Vielleicht gibt es viele Dinge, die Sie nach Ihrem Gefühl her noch mit
niemandem teilen konnten, die Sie noch nie ganz offen jemandem gesagt haben,
weil noch keine Frau, noch kein Mann Ihnen den Eindruck gab, das hören zu wollen
oder einfach mal akzeptieren zu können. Warum diese Ideen, Ansichten,
Erkenntnisse nicht einmal mit einem männlichen Coach teilen, der vielleicht ganz
ähnliche Erfahrungen gemacht hat und Sie ganz bestimmt nicht dafür abwerten wird,
sondern mit Ihnen zusammen erforscht, wie es von da aus weiter geht? Was könnte
sich dann alles zum Besseren wenden? Was könnte dann endlich alles anfangen?
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